Herr Brock, die Stiftung Liebenau beschäftigt mittlerweile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus rund 90 Nationen. 69 Prozent davon gehören christlichen Religionen an, 14,2 Prozent anderen Religionen. 16,8 Prozent sind ohne Bekenntnis. Welche Rolle spielt die Zugehörigkeit zu einer Konfession bei der Stiftung Liebenau?
Michael H. F. Brock: Unsere Arbeit basiert nicht auf Bekenntnissen zu einer Religion. Auch die Nationalität spielt bei uns keine Rolle. Wir sind ja als Stiftung keine Glaubensgemeinschaft. Wir sind eine Wertegemeinschaft. Jesus von Nazaret kannte weder die Einteilung der Menschen nach Nationalität noch nach Religion. Er betrachtete die Menschen allein nach dem Gesichtspunkt der Bedürftigkeit. Sein Motto: „Was willst du, dass ich dir Gutes tue.” Eine Revolution zur damaligen Zeit. Menschen mit einem Gebrechen sah er nicht von Gott bestraft, sondern als menschliche Herausforderung ihnen heilend zu begegnen. Und das im Namen eines Gottes, der alle Menschen gleichermaßen liebt.
In den Leitlinien der Stiftung Liebenau steht „Wir arbeiten an unserer Haltung und orientieren uns an dem in der Bibel durch Jesu vermittelten und vorgelebten Menschenbild.” Wie darf man sich diese Arbeit vorstellen?
Michael H. F. Brock: Wir vergegenwärtigen uns immer wieder den Menschen Jesus von Nazaret in seiner bedingungslosen Zuwendung zum Menschen und fragen uns: Wie hätte er gehandelt? Was war ihm wichtig? Die Evangelien helfen uns dabei, sein Handeln zu verstehen und auf unseren Alltag zu übertragen. Wie ist das zu verstehen? Wie geht die Stiftung Liebenau dabei vor? Michael H. F. Brock: Wir bieten für Führungskräfte Fortbildungen, Fachtage und Studienreisen ins Geburtsland Jesu an. Der Weg zurück zu den Wurzeln des Christentums wirkt bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nach, das ist immer wieder unsere Erfahrung. Die Orte, an denen Jesus von Nazaret gelebt und gewirkt hat selbst zu sehen und zu erspüren, erzeugt ein tieferes Verständnis der Evangelien. Zum Beispiel sich vorzustellen, dass die ersten Jünger Simon, Petrus und Andreas, Fischer am Galiläischen Meer, alles stehen und liegen ließen um ihren Weg mit Jesus zu gehen. Sein Umgang mit kranken, armen, ausgestoßenen Menschen, sein Verständnis und Gespür für ihre Lage und Bedürfnisse, ist der Kern des Caritasgedankens, bis heute.
Woran wäre denn zum Beispiel erkennbar, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Nachfolge Jesu handeln?
Michael H. F. Brock: Achtsamkeit für die Lebensaugenblicke jener, die uns anvertraut sind. Unsere Grundhaltung ist Zuwendung. Wenn wir in Einklang bringen fachlich gut und wirtschaftlich verantwortlich unterwegs zu sein und das verbinden mit einer Haltung den Menschen achtsam zugewandt zu sein, dann werden unsere Werte lebendig, die wir in der Person Jesu, in seinem Denken und Handeln, entdecken. Werte, an die wir nicht glauben müssen, sondern auf die wir uns verständigen können. Von Mensch zu Mensch darf spürbar werden, dass wir uns für die Menschen interessieren, für die Personen und ihre Bedürfnisse. Das sind unsere Fundamente. Und daran messen wir unser aller Tun.
Danke für das Gespräch, Herr Brock.