Immer wieder neue Herausforderungen
Immer wieder huscht ein Strahlen über das Gesicht von Dr. Dorothea Ehrmann. In solchen Momenten denkt sie an die vielen Einzelfälle, in denen sie mit Fachwissen und viel Einfühlungsvermögen etwas bewirken konnte. Sie erzählt zum Beispiel von einem Mann, der am Sprunggelenk operiert worden war, aber aufgrund seiner geistigen Einschränkung die jetzt erforderliche Teilbelastung des Beins mit Gehhilfen nicht dosieren konnte. Oft waren Patientinnen und Patienten nicht in der Lage, ihre Beschwerden zu benennen. Oder sie zeigten Abwehrreaktionen aus Angst oder fehlender Einsicht.
Erfahrung, Kompetenz und Einfühlungsvermögen
„Zu uns kommen Menschen, die in regulären Krankenhäusern und Arztpraxen aufgrund ihrer geistigen und körperlichen Lebenslage nicht oder nur unzureichend behandelt werden können“, erklärt die Ärztin. „Dank unserer Erfahrung und Fachkompetenz finden wir den Zugang zu ihnen und können ihnen individuell helfen“. Dieses empathisch-intuitive Vorgehen mit einem Rundum-Blick auf den ganzen Menschen hat sie immer begeistert. Sie liebte es, nach individuellen Lösungen zu suchen und dabei nicht gleich aufzugeben. Sie schätzte es, in einem multiprofessionellen Team zu arbeiten, in dem medizinische Versorgung und eine intensive pflegerische Betreuung Hand in Hand gehen.
Schon als Kind von diesem Beruf begeistert
Die Begeisterung für diesen Beruf wurde bei ihr früh geweckt. Ihr Elternhaus grenzte direkt an das Stiftungsgelände an, ihr Vater war ab 1947 alleiniger Arzt der damaligen Heil- und Pflegeanstalt. „Er betonte immer, dass Menschen mit Behinderungen ein besonderes Setting brauchen“, berichtet Dr. Dorothea Ehrmann, die als kleines Mädchen oft mit ihm auf Visite ging. „Ich war von Anfang an mit allem berührt.“ Somit habe sie schon im Alter von vier Jahren gewusst, dass sie Ärztin werden möchte.
Seit 1986 bei der Stiftung Liebenau
Gleich nach dem Abitur machte sie einen Teil ihres Krankenpflegepraktikums bei der Stiftung Liebenau. Nach dem Medizinstudium arbeitete sie zunächst für anderthalb Jahre in der Oberschwabenklinik in Ravensburg. Ende 1986 kam die junge Medizinerin in Festanstellung zur Stiftung Liebenau. Ihre Doktorarbeit schrieb sie berufsbegleitend zum Thema „Down-Syndrom und Alzheimer“. Und manchmal überschnitten sich berufliche und private Lebensstationen. So lernte sie während eines Weiterbildungsabschnittes als Assistenzärztin in der Klinik Tettnang ihren Mann kennen, der dort Zivi war. Die Prüfung als Fachärztin für Allgemeinmedizin legte sie 1994 ab – einen Monat vor der Geburt ihrer Tochter. Drei Jahre später kam ihr Sohn zur Welt.
In der Ambulanz und in der Akutstation
38 Jahre lang war Dr. Dorothea Ehrmann als Ärztin bei der Stiftung Liebenau tätig. In den ersten 28 Jahren arbeitete sie in der Ambulanz als Haus- und Heimärztin. Zur Jahreswende 2014/2015 wechselte sie in die Akutstation. Seit 2016 trug sie als leitende Oberärztin die Verantwortung für diese Abteilung, die inzwischen „Station für Allgemeinmedizin und Pflege“ heißt. Es freut sie sehr, dass sie zur Stabilisierung dieser Station, die zeitweilig auf wackeligen Beinen stand, beitragen konnte.
Herzlicher Dank für ihr Lebenswerk
Bei ihrer Verabschiedung wurde die geradezu unermessliche Leistung, die Dr. Dorothea Ehrmann in fast 40 Jahren erbracht hatte, mit sehr herzlichen Worten gewürdigt. „Das war mehr als Arbeit, mehr als ein Job. Es war ein Lebenswerk“, anerkannte Dr. Markus Nachbaur, Vorstand der Stiftung Liebenau. „Mit Ihrer hohen ärztlichen Fachlichkeit, Ihrem riesigen Engagement, Ihrer stets positiven Grundhaltung und Freundlichkeit sind Sie ein Aushängeschild der St. Lukas-Klinik und der gesamten Stiftung Liebenau“, betonte er und fügte hinzu: „Die Dankbarkeit für dieses Lebenswerk kommt von Herzen.“
Künftig mehr Freiraum für eigene Interessen
Dankbar zeigte sich auch Dr. Ehrmann, ganz besonders „für alle guten Begegnungen“. Sie gehe mit Wehmut und mit der Genugtuung, Menschen in vielen Situationen geholfen zu haben. „Jetzt freue ich mich darauf, Verantwortung abzugeben, loszulassen und mich meinen Interessen im Bereich Kunst, Kultur und Design zu widmen“, sagt sie. In einem Punkt bleibt sie der Stiftung Liebenau sogar erhalten: Sie wirkt weiterhin im Prüfungskomitee für die Anerkennungsprüfung ausländischer Pflegekräfte mit, die in der Josef-Wilhelm-Schule des Liebenau Berufsbildungswerks Ravensburg ihre theoretische Ausbildung erhalten.Unterdessen hat ihr Nachfolger an der St. Lukas-Klinik bereits seinen Dienst angetreten, so dass hier ein fließender Übergang möglich war.