Sich trauen, die Dinge so zu sehen, wie sie sind
Ausgehend von einem Zitat des Tropenmediziners Albert Schweitzer ging Steffen Jäger auf die aktuelle Gesamtsituation in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft in Deutschland und im internationalen Kontext ein. All dies wirke sich auf das soziale Miteinander vor Ort, die Arbeit im sozialen Bereich und die Rahmenbedingungen aus. Dringend notwendige Reformen müssten von der Politik auf Bundesebene trotz der schwierigen Lage und knapper öffentlicher Mittel jetzt auf den Weg gebracht werden. „Wir brauchen eine grundlegende Staatsreform, denn ein bloßes "Weiter so" gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Demokratie", fasste Jäger in seinem Fachvortrag zusammen.
Mehr Vertrauen in die Akteure vor Ort und Bürokratieabbau
Zentral sei dabei einerseits eine Rückbesinnung auf die Kernaufgaben des Staates, zu denen die Daseinsvorsorge mit der sozialen Infrastruktur in den Bereichen Pflege, Gesundheit und Soziales gehöre. Zum anderen müssten die Akteure vor Ort, Kommunen, soziale Träger, Handel und Handwerk, von Regelungen und Vorschriften entlastet werden: „Wir brauchen mehr Vertrauen in die Kräfte vor Ort und weniger Bürokratie. Denn dort, wo sich das Leben der Bürgerinnen und Bürger abspielt, zeigt sich im Alltag die Handlungsfähigkeit des Staates und seiner Institutionen. “so Jäger weiter.
Bessere Abstimmung der staatlichen Ebenen bei der Gesetzgebung
Michael Löher ging in seinem Fachvortrag auf den Föderalismus ein. "Die Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern müsse besser abgestimmt werden. Zudem müssten die Auswirkungen von Gesetzen auf die kommunale Ebene von Anfang an besser berücksichtigt werden. „Es nützt nichts, wenn Rechtsansprüche auf Bundesebene normiert werden und dann bei der Umsetzung vor Ort in den Kommunen und bei sozialen Trägern weder ausreichend Personal noch finanzielle Mittel zur Verfügung stehen“. Beispiele hierfür seien der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz oder die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Löher und Jäger betonten beide, dass sich das staatliche Handeln nicht nur im sozialen Bereich dringend ändern müsse.
Erhalt der sozialen Infrastruktur
Auch Berthold Broll, Vorstand der Stiftung Liebenau, unterstrich aus Sicht der Sozialwirtschaft die Dringlichkeit grundlegender Reformen und einer Neuausrichtung staatlichen Handelns: „Die Grundversorgung im Pflege-, Sozial- und Gesundheitsbereich ist gefährdet. Schon heute gibt es in einigen Regionen Versorgungsnöte bei bestimmten sozialen Angeboten.“ Daher müsse in den kommenden Jahren ein besonderes Augenmerk auf den Erhalt der sozialen Infrastruktur gelegt werden, um deren Verfall zu stoppen und auch wieder zu investieren. „Dazu brauchen wir in der Praxis vor allem weniger Bürokratie, sprich eine massive Reduzierung von Verwaltungsvorgaben und Regulierungen, um der hohen Nachfrage nach sozialen Angeboten und Dienstleistungen auch nur annähernd gerecht werden zu können“.
Gemeinsame Verantwortung von Kommunen und sozialen Trägern
Vor diesem Hintergrund lautete ein Fazit der Tagung, dass Kommunen und soziale Träger eine gemeinsame Verantwortung für die Sicherung und Gestaltung der sozialen Infrastruktur tragen. Alle Referenten betonten, dass die Akteure wichtige Kooperationspartner für die Gestaltung des Gemeinwesens vor Ort seien. Und die Erfahrungen zeigten bei allen Herausforderungen und Interessen: Wer miteinander im Gespräch bleibt, findet Lösungen vor Ort.