Europa - Interview Heitmann
Bulgarisch-Deutsches Sozialwerk engagiert sich im European Care Certificate
Gemeinsames Wissen, gemeinsame Werte: Das European Care Certificate (ECC) ist eine europäische Grundlage für Beschäftigte im pflegenahen Sozialbetreuungsbereich. Es wird seit 2006 von der EASPD* zusammen mit Organisationen aus 20 europäischen Ländern entwickelt. Seitdem haben die Partner 54 Lernergebnisse, ein Schulungs- und Mentoren-Programm sowie eine europaweit vergleichbare Prüfung entwickelt und erprobt. Bulgarischer Landesvertreter des ECC ist das Bulgarisch-Deutsche Sozialwerk (BDS), das seit 2008 von Monika Heitmann im transnationalen ECC-Vorstand repräsentiert wird. Seit 2010 realisierte sie ECC-Prüfungen für 240 Personen und Kurse für 105 Personen in Kooperation mit bulgarischen Partnerorganisationen. „Das BDS ist definitiv ein Multiplikator für das ECC“, brachte Monika Heitmann die Zahlen auf den Punkt, als es Mitte Juni 2022 im Europahaus in Sofia vor rund 30 Fachkräften aus sozialen (Lehr-)Berufen sowie Vertretern sozialer Institutionen um ‚Das ECC und die Zukunft der Sozialberufe in Bulgarien‘ ging.
Erfahren Sie mehr über das ECC im Interview mit Monika Heitmann.
Hallo Frau Heitmann. Sie haben das European Care Certificate (ECC) im Bulgarisch-Deutschen Sozialwerk (BDS) und in Bulgarien etabliert. Wie kam es dazu?
Monika Heitmann: Damals, im Jahr 2007, war ich bereits vier Jahre innerhalb, aber auch außerhalb des BDS an der bulgarischen Bildungs-, Ausbildungs-, Sozial- und Gesundheitssituation interessiert. Ich war sehr nah dran an den Entwicklungen, denn ich lebte abwechselnd drei Monate in Bulgarien und drei Monate in Deutschland. Durch meine Initiative und Offenheit, vor allem aber die stetige Suche nach Lösungen kam ich in Kontakt mit zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern einheimischer Organisationen und Institutionen – und wurde immer wieder auf Veranstaltungen eingeladen. Im Oktober 2007 – Bulgarien war gerade der EU beigetreten – fand in der Nähe von Varna das erste nationale EASPD-Forum statt. Auf dem Forum sprach ich das Thema Bildung an und erhielt prompt eine Einladung zur Zwischenkonferenz des transnationalen EU-Projekts European Care Licence (ECL), dem Vorgängermodell des ECC. Im November 2007 vertrat ich das BDS bereits auf dem ECL-Forum in Bukarest, Rumänien.
Sie waren also von Anfang an in die Entwicklung des ECC involviert. Welche Idee steckt hinter dem ECC? Was genau ist das Ziel?
Der Bedarf an Pflegehilfskräften in einigen europäischen Ländern wird durch Personal aus anderen Ländern Europas gedeckt. Oft lassen sich die im Ausland erworbenen Qualifikationen jedoch nicht klar einordnen, weil sich Bezeichnungen, zugrundeliegende Gesetze, Ausbildungs- und Arbeitspraktiken zu stark unterscheiden. Einführungskurse oder Ausbildungen sind nicht für alle zugänglich, verfügbar oder geeignet. Die niedrige Bezahlung macht Carework nicht attraktiver, sondern treibt grundsätzlich Pflegehilfsbereite an die Supermarktkasse, wo sie mehr verdienen.
Dabei steigt der Bedarf an Pflegehilfs- und Assistenzkräften weiter; die Bevölkerungen in den europäischen Ländern werden immer älter. Auch die Erwartungen an die Pflegehilfs- und Pflegeassistenzleistungen selbst steigen…
Ja, deshalb strebt das ECC ein gemeinsames Wissen und gemeinsame Werte in Bezug auf pflegenahe Betreuungsleistungen von Erwachsenen mit Behinderungen an. Das Menschenrechts- und Sozialmodell des ECC soll das medizinische Carework-Modell ablösen, das viele Jahre Ausbildung, Arbeit und politische Entwicklung dominiert hat. Das ECC ist eine niedrigschwellige, effiziente Möglichkeit, die Sozialbetreuungssituation in Europa zu verbessern.
Seit 2008 repräsentieren Sie das BDS im transnationalen ECC-Vorstand. Warum sind Sie so engagiert in dieser Sache?
Weil mich das ECC überzeugt. Es ist eine vielschichtige Win-Win-Situation für Klientinnen und Klienten, Angehörige, Arbeitgebende, Ausbildende, Arbeitnehmende und Kontrollorgane bzw. Regierungen. Das ECC verschafft allen Beteiligten einen Vorteil!
Wohin geht die weitere Entwicklung des ECC?
Vor kurzem ging der ECC Massive Open Online Course auf der EASPD E-Learning-Plattform online. Das ECC ist jetzt prinzipiell für jede und jeden in der EU zugänglich! Der ECC-Online-Lehrgang wird auf Englisch angeboten, bald auch in weiteren Sprachen.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Heitmann!
*EASPD: European Association of Service providers for Persons with Disabilities (Europäischer Verband der Leistungserbringer für Menschen mit Behinderung)