„Cool“ bleiben
Vom Eisschrank zum Schwitzbad: In schlecht gedämmten Gebäuden können Temperatur und Wohnkomfort deutlich variieren. Das Augenmerk richtet sich immer mehr darauf, Nutzgebäude nicht nur energieeffizient zu heizen, sondern im Sommer auch zu kühlen. Energieberater Friedhelm Maßong berät die Stiftung Liebenau. Lesen Sie das Interview im Themendossier Nachhaltigkeit.
Herr Maßong, wie kann ein Projekt bei einem Unternehmen wie der Stiftung Liebenau aussehen, für das Sie die Energieberatung machen?
Ein typisches Beratungsprojekt ist aktuell ein Neubau für 24 Menschen mit Behinderungen, die künftig mitten in der Stadt Trossingen leben werden. In die Energieberatung fließen unter anderem Wand, Dach, Lüftungsanlage, Fenster, Dämmung, Heiztechnik mit ein. Das gilt für Neu- wie für Altbauten. Im Bereich der Sanierung ist es momentan das Franziskuszentrum in Friedrichshafen. Das Haus der Pflege wurde 1996 gebaut. Hier gibt es Plätze für 110 pflegebedürftige Menschen, für 26 schwerstpflegebedürftige jüngere Menschen sowie 30 Servicewohnungen. Bei Bestandsgebäuden ist die energetische Beratung etwas komplexer.
Zu welchem Zeitpunkt der Projektphase beginnt und endet Ihre Beratung?
Am Beispiel eines Neubaus treffe ich mich schon sehr früh in der Entwurfsphase mit der Bauabteilung der Stiftung Liebenau. Gebäude müssen mindestens die gesetzlichen energetischen Anforderungen erfüllen. Ein besserer Standard wird aber nicht nur durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert, vielmehr besteht auch ein eigenes Interesse der Stiftung Liebenau, energieeffizient zu bauen. Für sie als Nutzerin stellen sich zum Beispiel Fragen nach dem sommerlichen Wärmeschutz auch hinsichtlich der vulnerablen Gruppen, die sie betreut. Bei der Umsetzung bin ich dann teilweise vor Ort. Zum Schluss mache ich den Blower-Door-Test, mit dem die Dichtigkeit des Gebäudes geprüft wird. Das formale Ende meiner Arbeit ist die Ausstellung des Energieausweises und der Förderabschluss. Aber in dem Moment, in dem später beim Betrieb Fragen auftreten, bin ich dabei: auf Zuruf als Coach.
„Lohnt“ sich ein Mehr beim energetischen Bauen, das über den geforderten Standard hinausgeht?
Grundsätzlich ja, weil ein Mehr die Risiken von Energiepreisspitzen abfängt. Finanziell rechnet sich der höhere Aufwand im Laufe der Nutzungsperiode. Im Voraus kann man das zwar nicht belegen, es handelt sich eher um eine vorsorgliche Maßnahme. Aber es kann über die Förderung einiges der Mehrkosten abgefangen werden. Ein Mehr bedeutet immer auch mehr Behaglichkeit. Der Nutzwert einer Lüftungsanlage etwa ist sehr hoch.
Wie sehen derzeit die gesetzlichen Vorgaben beim Bauen aus?
Die Vorgaben sind im Gebäudeenergiegesetz (GEG) geregelt. Das GEG hat die EnEV, die Energieeinsparverordnung, abgelöst. Es handelt sich um einen gesetzlichen Mindeststandard, der meiner Meinung nach aber nicht hoch genug ist, um die Klimaschutzziele 2050 zu erreichen. Momentan wird etwa der Energieverbrauch für die Herstellung und den Abbruch, also die graue Energie, noch nicht berücksichtigt.
Gibt es derzeit besondere Förderschwerpunkte? Wie viel lässt sich durch Förderung bei den energetischen Baukosten einsparen?
Bei den Förderungen ist ein roter Faden erkennbar, der die Substitution von fossilen durch erneuerbare Energien forciert. Die Heiztechnik gehört zentral dazu, aber auch die Dämmung und eben auch die Energiegewinnung. Die staatliche Förderung kann ein Einsparpotenzial von bis zu 50 Prozent bringen.
Ist der Maximalstandard des energetischen Bauens technisch bereits erreicht?
Wir haben heute sämtliche verfügbare Technik, Gebäude so zu bauen, dass sie „Null“ Energie verbrauchen. Allein Gebäude langfristig zu nutzen, ist schon ein nachhaltiger Aspekt. Wird der Gebäudekorpus etwa energieeffizient und nachhaltig gebaut, was die Stiftung Liebenau tut, kann während der Nutzungsdauer über die Erneuerung der Technik das Gebäude klimaneutral nachgerüstet werden. Heute reden wir nicht mehr in erster Linie vom Heizen. Vielmehr geht es ums Kühlen in den immer heißer werdenden Sommern. Diese Kühlung ist energieintensiv. Ihren Energiebedarf kann man aber zum Beispiel über eine eigene Photovoltaikanlage decken und die Energiebilanz auf diese Weise ausgleichen.
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Text: Anne Oschwald
Quelle: Jahresbericht 2021