Im Dickicht der Verwaltungsabläufe
„In der Pflege, der Teilhabe oder im Krankenhausbereich gibt es bereits heute eine sehr hohe Regelungsdichte. Das bindet viele Ressourcen in den Einrichtungen vor Ort und in der Verwaltung. Ressourcen, die vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Mittel und des Personalengpasses gerade im sozialen Bereich immer schwerer vorzuhalten sind“, fasste Dr. Berthold Broll, Vorstand der Stiftung Liebenau, die Situation in der Praxis zusammen. Hinzu kämen immer neue Vorgaben und Regelungen wie das Lobbyregistergesetz, die Nachhaltigkeitsberichtspflicht oder der Datenschutz für die gemeinnützige Sozialwirtschaft. „Viele dieser Gesetze hat der Gesetzgeber in erster Linie für die Privatwirtschaft gemacht. Für uns gelten sie dann meist automatisch, ohne dass es eine Refinanzierung für die Umsetzung gibt.“
Die Mittel müssen bei den Menschen ankommen
Die Stiftung Liebenau appelliert daher an die künftige Bundesregierung, die Arbeit in den Bereichen Pflege, Teilhabe, Gesundheit und Bildung für Beschäftigte und Sozialunternehmen zu erleichtern. „Viele Regelungen und Vorgaben müssten auf ihre Sinnhaftigkeit und ihren zielführenden Nutzen überprüft werden“, so Broll und Alexander Grunewald, Geschäftsführer der deutschen Pflegeunternehmen der Stiftung Liebenau. Volker Mayer-Lay war sich mit seinen Gesprächspartnern einig: „Die Ressourcen, die für die Umsetzung unnötiger bürokratischer Vorgaben benötigt werden, sollten besser den Pflegebedürftigen und den Mitarbeitenden in den Einrichtungen zur Verfügung stehen - am Pflegebett oder in der Wohngruppe“. Das Thema Überregulierung sei generell auch bei Genehmigungsverfahren im Baubereich oder im Beschaffungswesen bei der Bundeswehr eine Herausforderung, so Mayer-Lay weiter.
Vereinfachung des Pflegesystems gefordert
Dass allein der Pflegebereich ein Paradebeispiel für die hohe Dichte an Verwaltungsvorschriften und -verfahren ist, davon konnte sich Mayer-Lay beim Rundgang durch das modernisierte Haus im Gespräch mit Verantwortlichen und Mitarbeitenden aus erster Hand überzeugen. Die Stiftung Liebenau setzt sich deshalb für eine umfassende Pflegereform in der kommenden Legislaturperiode ein. Um die Pflege in Deutschland zukunftsfest zu machen, bedarf es einer umfassenden Reform mit dem Ziel, das System zu vereinfachen und flexibler zu gestalten, um Pflegebedürftige und ihre Angehörigen besser zu unterstützen. Wichtig sei auch, innovative Wege zu finden, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder hinauszuzögern und die gesellschaftliche Mitverantwortung zu stärken. Häufig verhinderten Vorschriften oder administrative Vorgaben heute solche Lösungen in der Praxis.