Eltern-Kind-Station

In einem ambulanten Vorkontakt, z. B. auf Zuweisung von ambulant tätigen Kinder– und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern, Sozialpädiatrischen Zentren oder niedergelassenen Kinderärztinnen und -ärzten, wird zusammen mit der Familie die Indikation für eine stationäre Behandlung geklärt. Die Familien werden dabei ausführlich über das Behandlungskonzept informiert und es besteht Gelegenheit, während eines Rundgangs die Station zu besichtigen.

Mögliche Aufnahmeindikationen sind z. B.:
 

• Unterschiedliche Entwicklungsverzögerungen mit Verhaltensproblematiken
• Schwere Interaktionsprobleme in der Familie, die durch herausfordernde Verhaltensweisen der Kinder beeinflusst sind. (z.B. kindliche Ängste, Wahrnehmungsbesonderheiten, Schlafstörungen usw.)
• Störungen in familiären Subsystemen, z. B. Geschwisterkonflikte oder Grenzregulations-probleme über die Generationen hinweg.

Die Aufnahme in unsere Klinik erfolgt über eine Krankenhauseinweisung. Das Einverständnis aller Sorgeberechtigten ist erforderlich. Die Aufnahme der Familien und Teilfamilien erfolgt zu festgelegten Aufnahme- und Entlassungstagen. Die einzelnen Behandlungseinheiten erstrecken sich in der Regel über einen Zeitraum von ca. 4 Wochen.

Die Familien wohnen in Zimmern mit eigenem Sanitärraum. Zustellbetten, z. B. für die Besuche von Familienmitgliedern am Wochenende, sind vorhanden. Des Weiteren stehen den Familien ein großer, zentral gelegener Aufenthalts- und Spielraum, ein kleineres Wohnzimmer, ein Esszimmer sowie die Küche zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung. Das Essen wird von der Großküche der Einrichtung täglich angeliefert, gemeinsame Kochaktivitäten sind möglich. Diese wohngemeinschaftsähnliche Struktur wurde bewusst gewählt, da die Nähe zu anderen Patientenkindern und deren Angehörigen einen gruppendynamischen Prozess auslöst, welcher für die Diagnostik und Therapie von Vorteil ist.

Diagnostik

Die diagnostische Zuordnung herausfordernder Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen mit einer Entwicklungsverzögerung oder Intelligenzminderung unterliegt besonderen Erfordernissen.

Behinderungsspezifische Einschränkungen erschweren das Diagnoseprozedere erheblich. Ein standardisiertes Diagnoseinventar, welches diese spezifischen Gegebenheiten berücksichtigt, wird erst allmählich entwickelt. Dies setzt eine Anpassung der üblicherweise bei nicht behinderten Kindern und Jugendlichen zum Einsatz kommenden Test- und Diagnoseverfahren an die besonderen Bedürfnisse und Voraussetzungen geistig behinderter Kinder und Jugendlicher voraus – eine nicht immer leicht zu praktizierende Aufgabe.

Nach wie vor kommt hierbei der „klinischen Beobachtung“ im Sinne einer ganzheitlichen Diagnostik ein hoher Stellenwert zu.

Therapie

Die vierwöchige Therapie bündelt individual-, familien- und gruppentherapeutische Vorgehensweisen. Multifamilientherapeutische, verhaltenstherapeutische, systemische und tiefenpsychologische Aspekte werden in der Behandlung individuell eingesetzt. Gestalttherapeutische, kunst- und musiktherapeutische Inhalte ergänzen das therapeutische Setting gegebenenfalls.

Die aktive Einbindung der Eltern in diesen Prozess ist ein erster, manchmal sogar der entscheidende therapeutische Schritt. Durch ihre Anwesenheit erleben die Eltern keine Beurteilung ihres Kindes ausschließlich von außen durch eine professionelle Fachkraft – Eltern, Kinder, die Patientengruppe sowie Erzieherinnen und Erzieher und Therapeutinnen und Therapeuten erleben sich „live“ und unmittelbar. D. h. das Kind wird direkt in einer alltagsähnlichen Situation über einen längeren Zeitraum hinweg gesehen und nicht ausschließlich über die Schilderung Dritter, z. B. Eltern oder Lehrerinnen bzw. Lehrer, beschrieben.

Das Kennenlernen der Kinder in den unterschiedlichsten Situationen, im Einzelkontakt, mit der Familie und im milieutherapeutischen Rahmen der Station, in der Interaktion mit der Patientengruppe sowie in unserer Schule am Krankenhaus ergibt eine Fülle von Informationen, welche dann zu einem Gesamtbild zusammengetragen werden.

Eine medizinische Diagnostik und Therapie erfolgt begleitend. Vorteilhaft ist die Einbettung der Eltern-Kind-Station in die Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dadurch kann in Kooperation mit den anderen Stationen die familienzentrierte Therapie um eine klassische Einzelbehandlung des Kindes oder Jugendlichen ergänzt werden. Je nach Schweregrad der Problematik kommen auch Psychopharmaka zum Einsatz. Dies jedoch nur nach sorgfältiger Abwägung und Aufklärung der Eltern mit deren Zustimmung.

Ziel in der Arbeit mit den Eltern ist, auf dieser Grundlage einen „gemeinsamen Nenner“ zu finden, welcher den Schwerpunkt für die weitere Behandlung bildet. Begleitend bieten wir im Verlauf der Behandlung eine Schulung der Eltern zu den Themen: elterliche Erziehungskompetenz, bindungsförderliche Beziehungsgestaltung, sowie störungsspezifische Psychoedukation (z.B. Autismusschulung). 

Bei vielen unserer Patientinnen und Patienten ist eine Form von Autismus diagnostiziert. Weitere Informationen und Hilfeangebote zu diesem Krankheitsbild erhalten Sie über den Wegweiser Autismus im Bodenseekreis.

Eine stationäre Eltern-Kind-Therapie stellt für die Familien eine intensive Maßnahme dar. Sie hat aber auch ihre Grenzen.

Die Arbeit mit Teilfamilien ist durch einseitige „Koalitionsbildungen“ zwischen Therapeutinnen und Therapeuten, Erzieherinnen und Erziehern und dem anwesenden Elternteil gefährdet. Die zu Hause gebliebenen Familienmitglieder – oft die Väter – fühlen sich dann ausgegrenzt, was sich wiederum negativ auf die Familienatmosphäre und die Therapiefortschritte auswirken kann. Wir versuchen, dieser Dynamik durch die – wenigstens partielle – Einbindung aller Familienmitglieder vorzubeugen.

Schwere Verhaltensstörungen bei Kindern, oder eine zu geringe Belastbarkeit in Gruppensituationen sowohl vom Kind als auch von den Eltern, versuchen wir im Vorfeld abzuklären, um dann erforderliche Therapieabbrüche zu vermeiden.

Das Leben in einer so gemischten Wohngemeinschaft auf Zeit kann durchaus anstrengend sein, meist jedoch überwiegen die positiven Aspekte der Gruppendynamik. Gegenseitige Unterstützung, Aufbau sozialer Kontakte und der Austausch der Familien untereinander Ergänzen die Behandlung im Sinne einer „Selbsthilfegruppe“ positiv. Zwischen Eltern und Kindern entstehen so oft auch nachstationär andauernde Freundschaften.

Wie melde ich mich an?

Für die Behandlung eines Kindes oder Jugendlichen benötigen wir die ausgefüllten Anmeldeunterlagen. Diese finden Sie im Download-Bereich unten auf dieser Seite. Bei Bedarf ist es auch möglich, Ihnen die Anmeldeunterlagen per Post zuzuschicken. Die ausgefüllten Formulare werden anschließend an eine Ansprechperson aus dem Team der Tagesklinik weitergeleitet und wir vereinbaren mit Ihnen einen ambulanten Termin. Bei Fragen können Sie sich gerne telefonisch an die Ambulanz wenden.

Falls Sie noch weitere Fragen haben, können Sie uns gerne anrufen.