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Die „Küchentherapie“

Das Küchenkonzept im sozialtherapeutischen Wohnheim St. Helena in Vogt ist außergewöhnlich: Das Haus sorgt selbst für täglich frisch gekochte Mahlzeiten, verwendet dazu viele Produkte aus der Region, achtet auf Nachhaltigkeit im Umgang mit Lebensmitteln, hat einen eigenen Koch angestellt und bindet die Bewohnerinnen und Bewohner je nach ihren Fähigkeiten in die Essenszubereitung ein. Die Küche dient hier nicht nur der Versorgung mit Speisen, sondern ist explizit auch ein Förderbereich für Menschen mit Behinderungen. Dieses Konzept ist im weiten Umkreis einzigartig und auf die dezentrale Struktur des Hauses zugeschnitten.

Eingebunden in die täglichen Abläufe

Leonie* freut sich jedes Mal, wenn sie in der Küche mithelfen darf. Sie ist ziemlich geschickt im Umgang mit einem Messer und schnippelt gerne Gemüse klein. Diesmal bereitet sie Zucchini, Pastinaken und Paprika für den Suppentopf vor. Unterdessen deckt Stefan* die Tische im Essbereich mit Tellern, Gläsern und Besteck. Und später, nach dem Essen, hilft Maria* beim Abspülen. Die Bewohnerinnen und Bewohner von St. Helena wechseln sich täglich bei diesen Aufgaben ab und brauchen manchmal auch viel Unterstützung dabei, mitunter sogar eine Eins-zu-Eins-Betreuung.
 

Es geht nämlich nicht darum, den Koch zu entlasten. Im Gegenteil: „Ich könnte die Küchenarbeit auch alleine schaffen. Aber das ist nicht der entscheidende Punkt“, erklärt Küchenmeister Norbert Finke.  „Das Ziel dieses Konzepts ist es, die Menschen im Haus St. Helena entsprechend ihren individuellen Möglichkeiten zu fördern – so wie dies zum Beispiel auch in der Kreativwerkstatt geschieht.“

Sehen und riechen, was gekocht wird

St. Helena ist ein sozialtherapeutisches Wohnheim der St. Lukas-Klinik für insgesamt 24 Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf und hat als Besonderheit aufgrund seiner Lage im ländlichen Raum auch einen eigenen Förderbereich für die Tagesstruktur. Dazu gehört auch die Küche, für die Norbert Finke seit der Eröffnung des Hauses im Januar 2019 zuständig ist. Er ist gelernter Koch und Küchenmeister, hat jahrelang ein eigenes Restaurant betrieben und wollte sich damals neu orientieren. Er absolvierte berufsbegleitend eine sozialtherapeutische Zusatzausbildung und ist von der Sinnhaftigkeit des Küchenkonzepts in St. Helena überzeugt. „Die Mahlzeiten sind eine feste Größe im Tagesablauf unserer Bewohnerinnen und Bewohner. Hier sehen und riechen sie, was gekocht wird. Sie erleben, dass sich jemand um ihr Essen kümmert und können selbst an der Zubereitung mitwirken“, sagt der 61-Jährige. Gleichzeitig gibt er zu bedenken, dass dieses Konzept nicht ohne weiteres auf andere Häuser übertragbar ist. Denn es sei speziell auf das Haus St. Helena, seine Strukturen und Menschen zugeschnitten.

Es schmeckt und kommt gut an

Nachhaltigkeit spielte hier eine große Rolle: St. Helena bezieht Biogemüse von einem Bauern aus der Nähe, Brot vom Bäcker aus der Nachbarschaft, Milchprodukte von einem kleinen Allgäuer Lieferanten und Fleisch von einem Metzger in der Umgebung. Neben der regionalen Herkunft ist dem Koch auch die Qualität und die saisonale Verfügbarkeit der Lebensmittel sowie und ein wertschätzender Umgang mit ihnen wichtig. Oft kommen vegetarische Gerichte auf den Tisch. Wer Geburtstag hat, darf sich sein Lieblingsessen wünschen. Zudem setzt sich Norbert Finke regelmäßig mit einigen Bewohnerinnen und Bewohnern zusammen, um mit ihnen gemeinsam einen Speiseplan zu erstellen. „Sie können Vorschläge einbringen und erfahren zugleich etwas über gesunde Ernährung“, berichtet er. Bei der kalkulierten Menge schafft der erfahrene Küchenmeister meist eine Punktlandung. Es kommt sehr selten vor, dass er Lebensmittel wegwerfen muss. „Heute zum Beispiel wäre nicht eine Portion übriggeblieben“, erzählt er. Er weiß eben, was den Bewohnerinnen und Bewohnern schmeckt. Und umgekehrt schmeckt ihnen das, was Norbert Finke kocht – so wie an diesem Tag die Gemüsesuppe und der Quarkauflauf mit Apfelmus.

*Name geändert

Kontakt

Sabine Schampel

Liebenau Kliniken 

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Siggenweilerstraße 11

88074 Meckenbeuren

Telefon +49 7542 10-5368

heim.kliniken(at)stiftung-liebenau.de

Liebenau Kliniken gemeinnützige GmnbH

Menschen mit Unterstützungsbedarf, die psychisch und somatisch erkranken, haben Anspruch auf eine professionelle Versorgung. Eine umfassende medizinische und therapeutische Behandlung erhalten sie in den Einrichtungen der Liebenau Kliniken: Fachkrankenhaus, in psychiatrischen Tageskliniken und Ambulanzen. Menschen, die eine längerfristige umfassende Begleitung benötigen, finden diese in angegliederten Sozialtherapeutischen Wohngruppen. 

Text: Ruth Eberhardt
Quelle: Jahresbericht 2021